JOSEPH CONRAD: Herz der Finsternis

Die kleine Erzählung hat es in sich. Sie führt uns in die Kolonialzeit, genauer gesagt in den Kongo, den sich das Königreich Belgien auf dem Berliner Kongress 1884 „überschreiben“ liess. Der polnisch-britische Autor Conrad bereiste das Land selbst und verarbeitete seine traumatischen Erlebnisse später in seinem berühmtesten Buch. Es eröffnen sich menschliche Abgründe, die uns heute noch erstarren lassen. Gleichzeitig scheint es – aus heutiger Sicht – wie eine Ahnung der kommenden Grauen des 20. Jahrhunderts. Daher erscheint die Verarbeitung des Vietnamkriegs in „Apokalypse Now“ in Anlehnung an dieses Werk nicht weit hergeholt.

Hier ein interessanter Link dazu: NDR Joseph Conrad Herz der Finsternis

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@Wikipedia Commons

Dörte Hansen: Zur See

Die Autorin, die uns bereits mit „Altes Land“ und „Mittagsstunde“ ins Herz geschrieben hat, hat jüngst nun den Roman „Zur See“ hervorgebracht. Die Story spielt wiederum im Norden und führt uns in das Leben der Familie Sander, die zwar zu den Alteingesessenen gehört, aber nichts destotrotz keineswegs mit sich im Reinen ist. Dörte Hansen ist selbst offensichtlich eng mit der Nordsee verbunden (geboren in Husum) und führt uns hinter die Kulissen der idyllischen Inselwelten, die Jahr für Jahr von großen Mengen Besuchern überrannt werden. Dabei hat man selbst eher selten die Gelegenheit einen Blick in das „wirkliche“ Inseldasein zu erhaschen.. Wir lassen uns gerne von einer Expertin einführen…

@ Cover: Penguin Random House Verlagsgruppe

Annie Ernaux – Erinnerung eines Mädchens

Die kürzlich mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Autorin bringt uns mit ihrem schmalen Büchlein zurück in die Zeit des eigenen Erwachens als Frau. Schonungslos seziert sie vor uns ihre Erinnerungen, schamerfüllt, leidend, aber auch trotzig beharrend gegen die Vorurteile ihrer Zeit, unsicher und doch mutig. Es ist kein unterhaltsames Werk, aber so manches gut Verdrängte kommt beim Lesen zum Vorschein. Das Schöne daran ist ja, dass man es heute besser einordnen kann…

Cover @ Suhrkamp Verlag

Untergetaucht

Es gab nicht viele Möglichkeiten für jüdische Menschen in Deutschland zwischen 1933-1945. Wer über das notwendige Geld oder auch Beziehungen zu Hilfsorganisationen verfügte, verließ das Land rechtzeitig. Wem das nicht zur Verfügung stand, sowie auch einem großen Teil der älteren Generation, der wurde Opfer der brutalen Ideologie. Die Betroffenen wurden nach minutiöser Angabe ihres Vermögens davon rechtssicher „befreit“, hatten zuvor noch ihre eigenen „Fahrkarten“ kaufen müssen, um dann nach genau durchstrukturiertem Ablaufplan in den Osten „evakuiert“ zu werden. Und doch gab es für einige wenige auch einen dritten Weg, nämlich mit viel Glück und der Unterstützung von vielen Helfern, im Untergrund zu überleben. Davon erzählt uns die Geschichte von Maria Jalowics Simon.

@Fischer Verlag

Mein Herz so weiß

Javier Marias war ein spanischer Autor. Er entstammte der Oberschicht, wurde 1951 geboren und begann bereits mit 11 Jahren zu schreiben. In seinen Studienjahren war Javier Marias im linksradikalen Milieu aktiv, später engagierte er sich sehr für notleidende Kollegen in Krisengebieten. Für den 1996 erschienen Roman erhielt er viel Anerkennung, u.a. den Nelly-Sachs-Literaturpreis. 2022 starb er an den Folgen von Corona.

In seinem Roman beschreibt Javier Marias die Verdrängung unangenehmer Wahrheiten und die Konsequenzen, die damit verbunden sein können. Sein Stil und die Eleganz seiner Worte wird hochgelobt. Wir sind ihm bisher noch nicht begegnet und deshalb um so neugieriger.

@FischerVerlag

Der Russe ist einer, der Birken liebt

Hinter diesem etwas merkwürdig nach Klischee klingenden Titel verbirgt sich der neueste Roman der 1984 in Aserbaidschan geborenen Olga Grjasnova. Er beleuchtet die Welt der modernen Grenzgänger*innen. Die Autorin selbst hat bereits an verschiedenen Orten dieser Erde gelebt und hat hier sicherlich persönlichen Erfahrungen verarbeitet. Lassen wir uns überraschen..

@Cover: Hansa Verlag

Effingers – ein Roman von Gabriele Tergit (1894-1982)

Gabriele Tergit war eine erfolgreiche Gerichtsreporterin während der 20/30er Jahre in Berlin, was sie mit Beginn der Nazizeit aber sofort in Lebensgefahr brachte. Aber sie schrieb auch Romane, wie diesen. Eines ihrer Vorbilder war Thomas Manns „Buddenbrocks“ – die Geschichte des Niedergangs einer Familiendynastie im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche. In den „Effingers“ wird ein ähnliches Sujet verwandt. Die jüdische Großfamilie Effinger-Goldstein – mit autobiographischen Anleihen – steht hier im Mittelpunkt. Tergits Roman umfasst eine Spanne von fast 80 Jahren, in denen sich Deutschland fortwährend verändert. Die Beschreibung dieser Prozesse, die sich in den Lebensgeschichten der verschiedenen Protagonisten widerspiegeln, machen den eigentlichen Reiz des Romans aus. Während aber in den „Buddenbrocks“ die Kaufmannsfamilie „nur“ geschäftlich untergeht, läuft es hier auf die fast vollständige Vernichtung der jüdischen Haupt-und Nebenfiguren hinaus.
Gabriele Tergit hatte es nicht leicht nach dem Krieg den Roman zu veröffentlichen. Das Interesse war weder in Deutschland noch in Israel groß. Erst 2019 erschien dieses interessante Werk.

@btb, Effingers von Gabriele Tergit,

Das Eis-Schloss

Uns ist er bisher noch gänzlich unbekannt, der norwegische Autor Tarjei Vesaas (1897-1970), aber in seiner Heimat berühmt, Nobelpreis nominiert und Vertreter der Nynorsk-Literatur. Die Chance, eines seiner Werke kennenzulernen, ist das 1963 erschienene Roman „Das Eis-Schloss“, das bereits verfilmt wurde. Im Mittelpunkt steht die schicksalshafte Freundschaft zwischen zwei 11-jährigen Mädchen auf dem Lande.

Cover: @dtv

Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol

Dem Schicksal der Millionen Zwangsarbeiter in Deutschland wird auch heute immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Vieles ist nicht aufgearbeitet, von unbeantworteten Schadensersatzforderungen ganz abgesehen. Ein Großteil dieser Menschen kam auch aus der Ukraine, einem uns ziemlich unbekannten europäischen Land, das wir nun angesichts des Krieges mit ganz anderen Augen sehen. Die Autorin Natascha Wodin, Jg. 1945, selbst Kind ukrainischer Zwangsarbeiter in Bayern, geht dem Leben ihrer früh verstorbenen Mutter nach. Das deren Heimatstadt die heute schwer umkämpfte Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist, mutet merkwürdig passend an.

Cover @Rowohlt

Khuê Pham: Wo auch immer ihr seid

Die ZEIT-Journalistin und Schriftstellerin, 1968 geboren und in Berlin- Hermsdorf aufgewachsen (vielleicht aus einer Bootpeople Familie?), gibt uns einen Einblick in ihren eigenen Kulturkreis. Viel weiß wahrscheinlich niemand von uns über das Leben der vietnamesischen Community ganz in unserer Nähe. Da lohnt ein Einblick. Es gab auch viel Lob für das Werk. Lassen wir uns überraschen 🙂

@btb: Khuê Pham: Wo auch immer ihr seid