Untergetaucht

Es gab nicht viele Möglichkeiten für jüdische Menschen in Deutschland zwischen 1933-1945. Wer über das notwendige Geld oder auch Beziehungen zu Hilfsorganisationen verfügte, verließ das Land rechtzeitig. Wem das nicht zur Verfügung stand, sowie auch einem großen Teil der älteren Generation, der wurde Opfer der brutalen Ideologie. Die Betroffenen wurden nach minutiöser Angabe ihres Vermögens davon rechtssicher „befreit“, hatten zuvor noch ihre eigenen „Fahrkarten“ kaufen müssen, um dann nach genau durchstrukturiertem Ablaufplan in den Osten „evakuiert“ zu werden. Und doch gab es für einige wenige auch einen dritten Weg, nämlich mit viel Glück und der Unterstützung von vielen Helfern, im Untergrund zu überleben. Davon erzählt uns die Geschichte von Maria Jalowics Simon.

@Fischer Verlag

Mein Herz so weiß

Javier Marias war ein spanischer Autor. Er entstammte der Oberschicht, wurde 1951 geboren und begann bereits mit 11 Jahren zu schreiben. In seinen Studienjahren war Javier Marias im linksradikalen Milieu aktiv, später engagierte er sich sehr für notleidende Kollegen in Krisengebieten. Für den 1996 erschienen Roman erhielt er viel Anerkennung, u.a. den Nelly-Sachs-Literaturpreis. 2022 starb er an den Folgen von Corona.

In seinem Roman beschreibt Javier Marias die Verdrängung unangenehmer Wahrheiten und die Konsequenzen, die damit verbunden sein können. Sein Stil und die Eleganz seiner Worte wird hochgelobt. Wir sind ihm bisher noch nicht begegnet und deshalb um so neugieriger.

@FischerVerlag

Der Russe ist einer, der Birken liebt

Hinter diesem etwas merkwürdig nach Klischee klingenden Titel verbirgt sich der neueste Roman der 1984 in Aserbaidschan geborenen Olga Grjasnova. Er beleuchtet die Welt der modernen Grenzgänger*innen. Die Autorin selbst hat bereits an verschiedenen Orten dieser Erde gelebt und hat hier sicherlich persönlichen Erfahrungen verarbeitet. Lassen wir uns überraschen..

@Cover: Hansa Verlag

Effingers – ein Roman von Gabriele Tergit (1894-1982)

Gabriele Tergit war eine erfolgreiche Gerichtsreporterin während der 20/30er Jahre in Berlin, was sie mit Beginn der Nazizeit aber sofort in Lebensgefahr brachte. Aber sie schrieb auch Romane, wie diesen. Eines ihrer Vorbilder war Thomas Manns „Buddenbrocks“ – die Geschichte des Niedergangs einer Familiendynastie im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche. In den „Effingers“ wird ein ähnliches Sujet verwandt. Die jüdische Großfamilie Effinger-Goldstein – mit autobiographischen Anleihen – steht hier im Mittelpunkt. Tergits Roman umfasst eine Spanne von fast 80 Jahren, in denen sich Deutschland fortwährend verändert. Die Beschreibung dieser Prozesse, die sich in den Lebensgeschichten der verschiedenen Protagonisten widerspiegeln, machen den eigentlichen Reiz des Romans aus. Während aber in den „Buddenbrocks“ die Kaufmannsfamilie „nur“ geschäftlich untergeht, läuft es hier auf die fast vollständige Vernichtung der jüdischen Haupt-und Nebenfiguren hinaus.
Gabriele Tergit hatte es nicht leicht nach dem Krieg den Roman zu veröffentlichen. Das Interesse war weder in Deutschland noch in Israel groß. Erst 2019 erschien dieses interessante Werk.

@btb, Effingers von Gabriele Tergit,

Das Eis-Schloss

Uns ist er bisher noch gänzlich unbekannt, der norwegische Autor Tarjei Vesaas (1897-1970), aber in seiner Heimat berühmt, Nobelpreis nominiert und Vertreter der Nynorsk-Literatur. Die Chance, eines seiner Werke kennenzulernen, ist das 1963 erschienene Roman „Das Eis-Schloss“, das bereits verfilmt wurde. Im Mittelpunkt steht die schicksalshafte Freundschaft zwischen zwei 11-jährigen Mädchen auf dem Lande.

Cover: @dtv

Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol

Dem Schicksal der Millionen Zwangsarbeiter in Deutschland wird auch heute immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Vieles ist nicht aufgearbeitet, von unbeantworteten Schadensersatzforderungen ganz abgesehen. Ein Großteil dieser Menschen kam auch aus der Ukraine, einem uns ziemlich unbekannten europäischen Land, das wir nun angesichts des Krieges mit ganz anderen Augen sehen. Die Autorin Natascha Wodin, Jg. 1945, selbst Kind ukrainischer Zwangsarbeiter in Bayern, geht dem Leben ihrer früh verstorbenen Mutter nach. Das deren Heimatstadt die heute schwer umkämpfte Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist, mutet merkwürdig passend an.

Cover @Rowohlt

Khuê Pham: Wo auch immer ihr seid

Die ZEIT-Journalistin und Schriftstellerin, 1968 geboren und in Berlin- Hermsdorf aufgewachsen (vielleicht aus einer Bootpeople Familie?), gibt uns einen Einblick in ihren eigenen Kulturkreis. Viel weiß wahrscheinlich niemand von uns über das Leben der vietnamesischen Community ganz in unserer Nähe. Da lohnt ein Einblick. Es gab auch viel Lob für das Werk. Lassen wir uns überraschen 🙂

@btb: Khuê Pham: Wo auch immer ihr seid


Middlesex – Jeffrey Eugenides

Auf der Suche nach der eigenen Identität aus Sicht von Cal/Calliope führt uns das Buch durch einen längeren Zeitraum. Ein Teil der Familie ist ursprünglich aus Griechenland eingewandert und prägt mit ihrer Erfahrung des Verlusts der Heimat unbewußt die Großfamilie. Anderseits ist das Leben der Hauptfigur durch das gutbetuchte amerikanische Mittelstandsmilieu geprägt. Es geht immer recht turbulent zu, begleitet durch finanzielle Probleme, Begegnung mit Rassismus und Schwierigkeiten bei der Assimilation. Im Mittelpunkt aber steht ein junger Mensch, der sich dem aktuellen Thema Gender in ganz persönlicher Weise stellen muss.

Der Autor ist Amerikaner und 1960 geboren. Er erhielt 2003 den Pulitzer Preis und lebte einige Jahre über den DAAD in Berlin.

Aufbrechen – von Tsitsi Dangarembga

»Aufbrechen« schildert den zähen Kampf des Mädchens Tambu um höhere Bildung und wie sie allmählich dem Stammes- und Dorfleben entschlüpft. Aber alles hat seinen Preis … Die Autorin erhielt den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für ihr Gesamtwerk. „Aufbrechen“ ist der 1. Teil einer Trilogie, in der das Aufwachsen eines Mädchen unter den Bedingungen der Kolonialzeit und den Begrenzungen einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft geschildert wird. Es erschien bereits 1988. Leider haben wir Literatur aus Afrika, von Afrikanern, bisher meist ignoriert. Aber das lässt sich ja ändern….

Schicksal von Zeruya Shalev

Die israelische Schriftstellerin, Jahrgang 1959, hat es mit ihrem aktuellen Roman direkt in die Bestseller-Listen geschafft. Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen einer Familie, die auf unterschiedliche Weise in interne Dramen eingebunden waren, stets begleitet von den politischen Konflikten ihrer Heimat, und nun auf der Spurensuche nach Erklärungen sind. Dabei wird viel Staub aufgewirbelt. Illusionen erweisen sich als solche und die Frage taucht auf, wie man damit künftig leben kann. Hört sich sehr spannend an…

@Piper Verlag 2021
Foto: © Jonathan Bloom / Piper Verlag