Altes und neues Altes

Gestern Abend ging es um das Buch „Wir haben noch das ganze Leben“ von Eskol Nevo. Die Themen  Freundschaft und Schicksal stehen hier im Mittelpunkt. Wir waren uns einig, dass es dem Autor ausserordentlich gut gelungen ist, einen eleganten und wunderbar klingenden Kanon zu komponieren. Unbedingt weiter zu empfehlen. (Was man von dem Essen in der Kantine des Berliner Ensemble nicht sagen kann, dort haben wir gestern nämlich getagt.)

Aber das ist nun erst einmal erledigt, abgelegt, „alt“.

Unser neues Projekt:

Christa Wolf „Kassandra“

 

Christa Wolf erzählt die Geschichte der Königstochter und Seherin Kassandra und greift damit auf einen alten, sehr alten griechischen Mythos zurück.

Das Buch ist 1983 sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland erschienen. Zur gleichen Zeit hielt die Autorin zu ihrer Erzählung die äußerst gut besuchten und vielbeachteten Vorlesungen an der Universität Frankfurt am Main.

In der BRD wurden Kassandra und die Vorlesungen getrennt voneinander veröffentlicht. (Damals Luchterhand)

Die DDR-Ausgabe (Aufbau-Verlag) enthielt beide Texte, wobei die Vorlesungen zensiert worden waren. Die Auslassungen durften jedoch gekennzeichnet werden, das hatte die Autorin durchsetzen können.

Kleiner Tipp von mir:

Christa Wolf hat in dieser Zeit einen anregenden Briefwechsel mit der Psychologin und Ärztin Charlotte Wolff  (der sie übrigens nie begegnet ist) geführt, der ihren Schaffensprozess und ihr Künstlerin-Sein in dieser Zeit sehr berührend dokumentiert:

 

@ Suhrkamp Verlag

Lesewonnenwochenende

Liebe Lesefreundinnen,

Brit hatte uns vor etlichen Zeiten ein gemeinsames Lesewochenende vorgeschlagen. Ihr schönes Ziel ist wirklich empfehlenswert:

haupthaus

Das Naturfreundehaus Üdersee – www.nfh-uedersee.de – , befindet sich in der Schorfheide, auf einer Halbinsel in wunderschöner Umgebung.

Da es aufgrund seiner schönen Lage und der kurzen Entfernung zu Berlin durchaus beliebt ist, könnte man ja schon mal – angenommen Ihr habt auch Lust dazu – recherieren, wie es im nächsten Jahr so aussähe mit Terminen.

Vielleicht reden wir mal bei der nächsten Runde darüber…

Eshkol Nevo: Wir haben noch das ganze Leben

Der 1971 geborene Schriftsteller gehört zu den bekanntesten Autoren Israels. Seine Bücher haben in seiner Heimat viel Aufmerksamkeit und Diskussionen hervorgerufen, aber auch Anerkennung gefunden. Sein bekanntestes Werk „Vier Häuser und eine Sehnsucht“ stand lange Zeit auf der Bestsellerliste Israels. 

Im Mittelpunkt des Romans „Wir haben noch das ganze Leben“ steht die Freundschaft von vier Männern, ihre Wünsche und Hoffnungen  in diesem von vielen inneren und äußeren Widersprüchen zerrissenen Land, das seit seiner Gründung um seine Existenz bangen muss.  Für uns sicherlich ein relativ unbekanntes Terrain. Interessant auch, weil es den Blickpunkt eines Autors aus einer jüngeren, nicht persönlich von Holocaust und Vertreibung geprägten Generation auf seine Heimat widerspiegelt.

@dtv

Mein Abschied vom Himmel – Hamed Abdel-Samad

Dieser ägyptische Autor ging  mit der Veröffentlichung seiner Biographie ein hohes, ja lebensbedrohendes, Risiko ein.  Es wurde bald nach dem Druck eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) durch einen Mufti (islamischer Rechtsgelehrter) gegen ihn ausgesprochen.Nach seiner harten Kritik an den radikalen Strömungen des Islam gab es zahlreiche Mordaufrufe.  Diese uns so ferne und doch alltäglich von den Medien  diskutierte Thematik wird von Hamed Abdel-Samad aus seiner privaten Erfahrung beschrieben und reflektiert.

Möglicherweise eine Chance für uns, mehr zu den Hintergründen der derzeit politischen Instabilität in großen Teilen der islamischen Welt, aus der Sicht eines Betroffenen, in dieser Kultur verwurzelten, zu erfahren. Und vielleicht auch der Versuch, uns den Gründen für „Anpassungsprobleme“ von Menschen „mit Migrationshintergrund“ hier in Deutschland etwas mehr zu öffnen…

 

@Knaur

Jochen Schmidts Schneckenmühle

Unter diesem Titel verbirgt sich eine – wie man hört – sehr unterhaltsame Geschichte über Jugendliche während der „Wendezeit“. Der Protagonist Jens wird 14 und fährt zum letzten Mal ins sächsische Ferienlager Schneckenmühle…. Die Begegnungen mit dem anderen Geschlecht und die politischen Aufregungen im Sommer 89 bringen allerlei Turbulenzen mit sich….

Ein leichtes Sommervergnügen ohne das es leichtgewichtig ist. So Gründe und Hoffnung bei der  Wahl dieses Romans.

Vielleicht auch dazu geeignet, dass die eine oder andere von uns in Erinnerungen an ihre Ferienlagerzeit schwelgt

Geschrieben hat das Werk Jochen Schmidt, ein junger Berliner Autor, der durch sein wöchentliches Auftreten in der „Chaussee der Enthusiasten“ – was für ein wunderbarer Titel –  bekannt geworden ist…

@C.H.Beck
@Elke Wetzig/CC BY-SA 4.0

Julia Franck: Rücken an Rücken

Die Rezensionen sprechen von einem „radikal subjektiven“ Buch: zu viele Extremsituationen, auch Schwülstigkeit werden beklagt, zu spröde und distanziert seien die Lebenswege einer Künstler“familie“ in den 50er Jahren in der DDR von der Autorin beschrieben. Wir wollen uns trotzdem darauf einlassen, u.a. auch wegen des lokalen Bezugs zur Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, die viele Jahrzehnte in Berlin-Rahnsdorf lebte und erst kürzlich verstarb. Sie war den Ost-Berliner Künstlerkreisen, aber auch dem breiteren Berliner Publikum durch zahlreiche Skulpturen in Parks und auf Plätzen, durchaus bekannt. Vielleicht ist dem einen oder anderen von uns „Die Erde“ im Monbijou Park schon einmal ins Auge gefallen.  Von der jüngeren Künstlergeneration wurde sie  – auch als Lehrende an der Kunsthochschule Weißensee – geschätzt . Die Autorin verarbeitet in ihrem Roman Erinnerungen an ihre Großmutter und spart nicht mit Kritik am erlebten Familienleben…  Ein interessanter Rückblick in die verschwundene DDR mit den damals allgegenwärtigen politischen Ansprüchen der Genossen, die auch deren Familien nicht ungeschoren ließen…

Hier ein Link zu einer Biografie der Bildhauerin von Christel Wollmann-Fiedler:

http://www.wollmann-fiedler.de/files/buecher/BuchHunzinger.htm

@S.FischerVerlag
@Lesekreis: Eigenes Werk

Die Glasglocke von Sylvia Plath

Die US-amerikanische Autorin war eine bedeutende Lyrikerin, schrieb auch Kurzgeschichten und einen einzigen Roman – „Die Glasglocke“.  Ihren Namen habe ich vor vielen Jahren in einem Buch über bedeutende Schriftstellerinnen unseres Jahrhunderts das erste Mal entdeckt. Offenbar  avancierte ihr Roman bald zum Kult, beschreibt er doch wie kein Buch zuvor die Stimmungslage junger Frauen, ihre Zerrissenheit angesichts gesellschaftlicher Anforderungen. Sie hat darin teilweise wohl auch autobiografische Themen verarbeitet, litt sie doch seit Jahren an Depressionen. Vier Wochen nach der Veröffentlichung nahm sich die Autorin das Leben.

Ich bin sehr gespannt, ob das Buch  uns heute noch Anregungen geben kann.

@Suhrkamp
@Giovanni Giovannetti/Grazia Neri 

Ursula Krechel: Das Landgericht

Ein Roman, der uns in die Nachkriegszeit Deutschlands führt. Der Berliner Richter Richard Kornitzer kehrt 1947 aus dem Exil Kuba zu seiner Frau zurück. Das jüdisch-deutsche Ehepaar versucht nach 10jähriger Trennung einen Neuanfang so wie viele andere in Deutschland. Nur die Motive der großen schweigenden Menge sind mehrheitlich sehr verschieden von denen der Protagonisten. Die schmerzlichen Erfahrungen des Verstoßenen und der unter dem Riss leidenden Familienmitglieder lassen sich kaum vermitteln geschweige denn heilen.

Die Thematik beruht auf einer wahren Geschichte und wird mit sehr viel Empathie und Behutsamkeit geschildert. So kann sich der Leser sehr gut in die Gefühlswelt und die gesellschaftlichen Umstände dieser Zeit einfühlen – für uns Nachgeborene sehr wertvoll.

Die Autorin wurde für ihre Werk 2012 mit den Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Eine Entdeckung!

Jung & Jung
@Alexander Paul Englert

Lionel Shriver – Wir müssen über Kevin reden

Die amerikanische Autorin, Jahrgang 1957, setzt sich mit dem Thema „Amoklauf an Schulen“ auseinander. Im Mittelpunkt steht die Mutter von Kevin, die  auf der Suche nach den Ursachen ihre Rolle als Mutter untersucht und auf den Prüfstein stellt. Das Buch soll Debatten in den USA und Großbritannien ausgelöst haben. Leider gab es auch hierzulande schon Amokläufe, auch wenn man es gerne verdrängt. Stellen wir uns also unseren Ängsten…

@ Piper
@Tony Sarowitz/CC BY-SA 4.0

Louis Begley – Ehrensachen

Ein Roman über Männerfreundschaft in den 50er Jahren, USA, Harvard – ein Thema, zu dem wir auf Anhieb sicherlich nichts Substantielles zu sagen haben. Ein fernes Land, eine ferne Zeit… Aber wie ich unsere Runde kenne, werden sich alle auf das Wagnis einlassen 🙂 Wer weiß, ob sich nicht doch etwas finden lässt, was uns selbst auch angeht.

Louis Begley stammt aus Polen, ist jüdischer Herkunft und hat knapp die Schreckensjahre überlebt. Später ging die Familie in die USA. Begley studierte Jura und Englische Literatur. Er arbeitet in erster Linie als Anwalt und fing erst spät mit dem Schreiben an. (Übrigens wurde sein Roman „Schmidt“ mit Jack Nicholson unter dem Titel „About Schmidt“ verfilmt.)

Hier wunderbarer Weise nun doch noch ein Bild 🙂

 

@Suhrkamp
@Louis Begley