Der Werk des sehr jungen Autors Benedict Wells kann man wohl als moderne Variante eines Entwicklungsromans beschreiben.
Die Schicksalsschläge und Traumen, mit denen sich der Protagonist Jules über viele Jahre auseinandersetzen muss, sind schon gewaltig. Berührend wie sich letztlich die Geschwister trotz unterschiedlicher Wege und Verarbeitungsstrategien wiederfinden und sich Halt geben.
Was vom Tage übrigblieb
Der Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro führt uns tief zurück in britische Zeiten als das Empire noch voller Stolz war und man sich in den Adelskreisen noch ewige Angestellte leisteten. Ganz oben in der Hierarchie der Untergebenen in den Manors Houses, Palaces and Castles stand der Butler. Er kümmerte sich unablässig um Aufrechterhaltung des standesgemäßen Lebensstils seiner Herrschaft. Wie weit die Verinnerlichung dieser Weltbeschauung und die dazu notwendige Selbstverleugnung gehen kann, ist in diesem kleinen Roman nachzulesen. Verfilmt wurde er auch schon…
William Boyd – RUHELOS
Diesmal lesen wir tatsächlich mal zusammen einen Krimi! Wer hätte das gedacht? Das Thema ist beunruhigend: Was geschähe, wenn sich plötzlich herausstellte, dass die eigene Mutter eine „Schläferin“ ist? Übrigens eines der schon häufig verfilmten amerikanischen Lieblingssujets.. gab es da nicht einen Film mit Pierre Brosnan???? Geheimnisse aus dem Kalten Krieg also diesmal. Lassen wir uns überraschen…
Sieben Sprünge vom Rand der Welt
Was es bedeutet, seine Heimat zu verlieren …. selbst wenn man sie selbst nie gesehen hat. Traumata durch Krieg und Flucht, leider immer genauso aktuell wie 1945, die in vielen Fällen auch noch nachfolgende Generationen belasten. Das ist Thema des Romans der in München lebenden Autorin Ulrike Draesner. Beschrieben werden Lebenswege einer schlesischen und einer polnischen Familie. Mir gefällt, dass nach dem Roman der polnischen Schriftstellerin Joana Bator, der uns etwas über die Nachkriegszeit in Polen erzählte, nun auch eine Deutsche diesen Aspekt mit eingearbeitet hat.
Christoph Hein: Glückskind mit Vater
Die Beziehung von Vater und Sohn steht im Mittelpunkt des Romans von Christoph Hein. Und natürlich ist diese Beschreibung viel zu kurz gegriffen, denn natürlich geht es um viel weitreichendere Fragen. 1945 ist die männliche Hauptfigur geboren und trägt zugleich exemplarisch wie auch beispiellos schwer am Gepäck des Vaters. Bis in die heutige Zeit reicht die Darstellung des Lebensweges. Wir dürfen gespannt sein und ahnen zugleich, dass es schwer, vielleicht unmöglich ist, sich vom Vater zu emanzipieren, von den kriegsverbrecherischen Taten der Elterngeneration.
Deborah Feldman: Unorthodox
Die bewundernswert mutige Autorin lebt derzeit mit Sohn in Berlin. Sie erzählt uns von ihrem Aufwachsen in einer orthodoxen Gemeinde in Williamsburg, im New Yorker Stadtteil Brooklyn, die sich mit ihrem Namen Satmar auf ihre Herkunft aus der ungarischen Stadt Satu Maru bezieht. Ihre Verarbeitung des Holocausts führte zu einer noch strengeren Lebensform. Sie soll weniger sündig sein und gleichzeitig Rache an Hitler nehmen, in dem sie sich stark vermehren. Die strenge Isolation nach außen und die vielen Einschränkungen, denen die Aufwachsenden ausgesetzt sind – für uns Leser schwer auszuhalten. Erstaunlicherweise kann man aber in der Lebensbeschreibung der chassidischen Jüdin, neben aller Kritik und Abgrenzung, keine Verteufelung dieser Lebensart finden. Weil sie etwas weiß von den Ursachen und den Traumata und weil sie ihre Familie verloren hat.
Eine fremde Welt…. Die Hochzeit der Chani Kaufmann
eröffnet sich uns diesmal in Eve Harris Roman „Die Hochzeit der Chani Kaufmann“. Würden wir durch Golders Green in London oder Williamsburg in New York laufen, müssten wir wohl damit rechnen, dass wir keines Blickes gewürdigt würden. So wie die Autorin es in ihrem Roman beschreibt, wird die restliche Welt dort offenbar ausgeblendet.. Für unser Selbstverständnis als (mehr oder weniger) selbständige, emanzipierte Frauen enthält das Buch starken Tobak… Andererseits wuchsen (zumindestens mir ) die beiden Hauptfiguren Chani und Rebecca auch schnell an’s Herz.
Arno Geiger – Es geht uns gut
Für dieses Buch erhielt der Österreicher Arno Geiger 2005 den Deutschen Buchpreis, der alljährlich zu Beginn der Frankfurter Buchmesse vom Börsenverein des deutschen Buchhandels verliehen wird.
Ein Familienroman vom Erinnern und Vergessen, von 1938 bis 1989. Das kommt mir bekannt vor. Großeltern, Eltern, Kinder; Glück, Liebe, Tod und Verrat. Leben und Vergehen. Ich bin gespannt.
Philipp hat die Villa seiner Großeltern geerbt und beginnt damit, sie zu entrümpeln. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich von seiner Familie eher ferngehalten. Nun wird er unweigerlich mit ihr und ihrer Geschichte konfrontiert.
Jonathan Franzen – Unschuld
Für den Sommerurlaub diesseits oder auswärts haben wir uns diesmal den umfangreichen Roman „Unschuld“ von Franzen vorgenommen. Er steckt voller Obsessionen, Abhängigkeiten, Schuldgefühle, Verstrickungen jeder Art, merkwürdiger Konstruktionen… Gar nicht so leicht für die Protagonisten glücklich zu werden. Überall werden vermutete oder reale Manipulationen aufgespürt… Eine Vielzahl moderner und uralter Themen wird behandelt und der überraschende Link zu Rahnsdorf ist nur eines der erstaunlichen Momente.. ich bin sehr gespannt auf unsere Gespräche dazu….
Daniel Wisser – Löwen in der Einöde
Daniel Wisser (Jahrgang 1971) ist ein österreichischer Schriftsteller, Musiker und Komponist. Er lebt in Wien und wird als besonders eigenwilliger und vielseitiger Künstler beschrieben. Mit dem Buch „Löwen in der Einöde“ sei ihm „eine lakonisch-melancholische Hommage auf das kleine Leben gelungen“.
Nachdem wir uns bei Margaret Atwood intensiv mit den Frauenrechten auseinandergesetzt haben, soll es diesmal um ein Männerleben gehen. Das könnte in unserer Frauen-Lese-Runde spannend werden. Lassen wir uns überraschen.